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Navigation im Web: Was ist eigentlich so unbefriedigend an Wikis?

(Vorbemerkung: Dieser Artikel ist der erste in einer Reihe von Artikeln, die irgendwann einmal in eine Print-Ausgabe münden sollen. Daher werdet Ihr — Web-ungewohnt — in diesen Artikeln gnadenlos gesiezt. Nicht, daß die Artikel schon fertig wären, Sinn der Vorveröffentlichung in meinem Weblog ist ja gerade, daß ich mit Euch darüber diskutieren will, aber meine Erfahrung sagt mir, daß, wenn ich nicht von vorneherein eine konsequente Anredeform durchhalte, es im Endergebnis seltsame Artefakte geben wird.)

Wie finden Sie eigentlich Artikel in der Wikipedia? Also, ich bemühe dafür immer Google, die Wikipedia-internen Navigations- und Suchwerkzeuge sind mir in der Regel entweder nicht mächtig genug oder andersherum wieder einfach zu kompliziert zu bedienen. Dabei ist das Mediawiki, das die Grundlage für die Wikipedia bildet, schon ein sehr mächtiges Wiki. Viele einfachere Wiki-Engines bieten außer einer Sitemap und eventuell einer Suchfunktion kaum Möglichkeiten einer alternativen Navigation innerhalb des Wikis.

Irgendwie scheint es mir, daß mit dem Auftauchen des World Wide Web (WWW) ca. 1994 die gesamte Hypertext-Diskussion um Lost in Cyberspace, Orientierung und Navigation versandet ist. Man hatte sein Spielzeug und war damit glücklich. Lediglich Peter A. Gloor versuchte meines Wissens als Einziger in seinem 1997 erschienenen Elements of Hypermedia Design diese Diskussion weiterzuführen. Doch niemand antwortete.

Dabei ist diese Diskussion notwendiger denn je. Je mehr User eine Website an völlig zufälliger Stelle via Suchmaschine oder via Deep Linking betreten, desto mehr gewinnen die laut Jennifer Fleming (in Web Navigation, Designing the User Experience, 1998) wichtigsten Fragen des Users wieder an Bedeutung:

  • Wo bin ich?
  • Wohin kann ich von hier gehen?
  • Wie komme ich dahin, wo ich hinwill?
  • Wie komme ich wieder zurück?

In dem oben schon erwähnten Buch von Peter Gloor hat dieser die potentiellen Navigationsmöglchkeiten in Hypertexten im Allgemeinen und in Web-Dokumenten im Besonderen kategorisiert. Er unterscheidet sieben Navigationsgruppen:

  1. Linking
  2. Suche
  3. Sequentialisierung
  4. Hierarchie
  5. Ähnlichkeiten
  6. Graphische Visualisierung
  7. Agenten und Führer (guides)

[Linking] Der Linkmechanismus ist konstituierend für Hypertext-Dokumente und damit auch für das World Wide Web. Um so erstaunlicher ist es, wie wenig über ihn in der jüngeren Literatur geforscht und gestritten wird. Der Dokument-zu-Dokument-Link scheint als der Weisheit letzter Schluß einfach akzeptiert worden zu sein. Lediglich durch die XLink-Debatte angeregt gab es einige Diskussionen über one-to-many-, many-to-one- und many-to-many-Links. Realisierungen gibt es aber meines Wissens nicht, nicht einmal in experimentellen Systemen.

Doch wenigstens im Bereich Rücklink gab es einige Fortschritte zu vermelden: Viele Wikis besitzen eine Links-to-this-Page-Funktion und der in der Weblog-Welt entwickelte Trackback-Link erfreut sich wachsender Beliebtheit.

[Suche] Suche im Web ist im Regelfall Volltextsuche. Der Erfolg von Google scheint dieser brute-force-Strategie erst einmal Recht zu geben. Jedoch mehren sich Stimmen, daß mit wachsender Größe es immer schwieriger wird, das Gesuchte unter dem Rauschen der belanglosen Ergebnisse herauszufiltern.

Hier wird einer semantischen Suche zukünftig eine immer größere Bedeutung zukommen. Mit dem Resource Description Framework (RDF) hat das W3C versucht, dies durch eine Standardisierung zu unterstützen. Ein echter Erfolg hat sich hier allerdings bisher noch nicht eingestellt, eher im Gegenteil: Statt z.B. das RDF-basierte RSS 1.0 zu unterstützen, versucht sich die Netzwelt in immer neuen, proprietären RSS 2.0- und ATOM-Formaten.

[Sequentialisierung] Die Sequentialisierung ist unter Webworkern irgendwie in Verruf geraten. Ein »vorherige Seite / nächste Seite«-Mechanismus gilt als »uncool« und dem Web nicht angemessen. Dabei soll es Menschen geben, die selbst ein Lexikon von vorne nach hinten durchlesen. Und spätestens dann, wenn man eine Website zur Lektüre auf dem heimischen Sofa ausdrucken will, ist solch ein Mechanismus unverzichtbar. Seltsamerweise bietet kaum ein Web-Authoring-Tool und kaum ein Content-Management-System (CMS) Unterstützung für diese wichtige Navigationshilfe (einzige mir bekannte Ausnahme: Frontier).

[Hierarchische Navigation] Unterstützung für eine hierarchische Navigation gibt es dagegen massenhaft. Es ist auch die aus dem realen Leben vertrauteste Navigationshilfe, fast jedes Buch ist so organisiert. Und so besitzt nahezu jedes CMS die Möglichkeit, eine Sitemap automatisch zu generieren, ein hierarchisches Inhaltsverzeichnis zu integrieren oder die beliebten Breadcrumbs anzuzeigen, mit deren Hilfe man sich einen Baum wieder hochangeln kann, bis man auf der Startseite angelangt ist. (Der Begriff kommt tatsächlich von den Brotkrümeln, die Hänsel und Gretel im gleichnamigen Märchen im Wald verstreuten und mit deren Hilfe sie den Weg wieder nach Hause fanden. Für mich die romantischste Metapher in der an Metaphern nicht gerade armen IT-Welt.)

[Ähnlichkeiten] Navigation mit Hilfe von Ähnlichkeiten ist heute noch eine der großen Herausforderungen für den Designer einer Website. Das liegt sicher auch daran, daß das klassische Beispiel aus der Druckwelt, der Index sich gegen eine automatische Generierung sperrt: Entweder lege ich einen Volltext-Index an und generiere damit viel Müll, oder ich muß sehr viel Arbeit hineinstecken, um z.B. feststellen zu können, daß die Testfragmente »Gloors Buch«, »Peter schrieb« und — am Schwierigsten — »seine Arbeiten« alle mit »Peter A. Gloor« indiziert werden müssen. Oder versuchen Sie mal, in Kants Texten nach dem naturtheoretischen (d.i. der physikalische) Begriff »Kraft« zu suchen und dabei auszuschließen, das Textfragmente, die z.B. von der »Kraft der Liebe« handeln, ebenfalls gefunden werden.

Wie dem auch sei, es gibt Algorithmen, die eine weitestgehend treffende Ähnlichkeitssuche durchführen können. Allerdings benötigen sie einen massiven Einsatz von CPU-Zeit (vulgo: Rechenpower), eine sorgfältige Planung und Realisierung und sind sicher deshalb in der heutigen Webwelt (noch) recht selten anzutreffen.

[Visualisierung] Visualisierung war im Rahmen des VRML-Hypes einmal das große Thema. Mittlerweile ist diese Diskussion leider wieder ein wenig eingeschlafen. Das ist schade, denn die meisten Menschen nehmen die stärksten Reize über optische Signale auf, der Gesichtssinn ist in der Regel der wichtigste Sinn. Die graphische Darstellung einer Site-Struktur — egal ob in statischem 2D oder in dynamischem 3D oder in allen Stufen dazwischen — ist daher das Mittel, mit dem ein Besucher am Schnellsten eine Übersicht auch über eine umfangreiche und komplexe Website erhält. Dies wissend, ist die Diskussion nicht völlig ausgestorben und so gibt es immer wieder mal Modelle, sei es ein 3D-Modell für die Navigation durch große Datenmengen oder sei es eine Fish-Eye-View zur leichteren Navigation durch Wissensbestände.

Visualisierung ist übrigens eine Konzeption, die orthogonal auf den anderen, vorher genannten Navigationshilfen aufsetzt, so daß sie immer zusätzlich eingesetzt werden kann, um Links, Suchergebnisse, Pfade, Hierarchien und Ähnlichkeiten anschaulich darzustellen.

[Agenten] Auch das Konzept des Agenten als Navigationshilfe wurde eine Zeitlang einmal ausführlich diskutiert. Hier scheint aber Microsofts plappernde und nervende Büroklammer die an sich gute Idee völlig in Verruf gebracht zu haben. Dabei besticht das Konzept eigentlich: Stellen wir uns einmal vor, wir haben eine umfangreiche Website über das Leben in Berlin gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Wir könnten uns z.B. von einer Arbeiterfrau aus Berlin-Moabit, von einem Handwerker aus Tempelhof oder auch von einem Kaufmannssohn aus Tübingen, der an der Humboldt-Universität studiert, jeweils ihre spezifische Sicht des Berliner Lebens vorführen lassen — eine Idee, die in der Welt der Computerspiele schon seit langem erfolgreich praktiziert wird.

Die Motivation für diesen Übersichtsartikel? Wir haben am Institut öffentlich zugänglich etwa 600.000 Seiten diverser Projekte im Netz, die teilweise völlig isoliert voneinander realisiert wurden. Wenn es gelänge, diesen Schatz an Information und Wissen projektübergreifend zu erschließen und zu vernetzen, könnten völlig neue Wissenzusammenhänge sichtbar werden, die unter Umständen auch neue Erkenntnisse produzierten.

Ich werde mich in der nächsten Zeit an einigen dieser Navigationshilfen versuchen und Prototypen vorschlagen.

Letzte Änderung: 13.02.2008; 7:17:57 Uhr | © Copyright: 2000 - 2008 by Kantel-Chaos-Team | Kontakt: der@schockwellenreiter.de

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